Trinkkuranlage und Inhalatorium
Trinkkuranlage und Inhalatorium von Bad Nauheim liegen etwas abseits des Sprudelhofs und der Badehäuser. Der Besucher, der von dort kommt überquert zunächst einmal die Parkstraße, sieht schon die Dankeskirche aufragen, dort, wo ehemals das erste Badehaus Bad Nauheims stand. Dahinter befindet sich heute ein kleiner Rosengarten durch den hindurch man bereits die Trinkkuranlage sehen kann. Von hier erstreckt sie sich entlang des Laufs der Usa bis hin zum Ernst-Ludwig-Ring.
Vor allem an dieser Trinkkuranlage hat, wenn man so manchem Hinweis in den Quellen Glauben schenkt, der Großherzog Ernst Ludwig ganz besonderen Anteil genommen. Ursprünglich war die Anlage deutlich anders und auch kleiner geplant, wurde dann jedoch zunehmend erweitert.
Vom Sprudelhof kommend betritt man die Trinkkuranlage durch Pergolen und geht hinein in den hufeisenförmigen Innenbereich. Diese Form orientiert sich am bogenförmigen Verlauf der Usa nach der sich Jost hier richtete. Es ist eine sehr eigene Atmosphäre, die der Architekt hier erschaffen hat und die sich dem Besucher am besten am frühen Morgen, wenn noch alles ruhig ist, am besten erschließt.
Trinkkuranlage – Trinkhalle
Eine Trinkhalle, die die in Bad Nauheim entspringenden trinkbaren Heilwässer anbot, gab es hier bereits vor dem großen Umbau, den der Großherzog Ernst Ludwig in Auftrag gab. Die Trinkhalle mit umliegenden Gebäuden, die sich dem Besucher heute darbietet, entstand in den Jahren 1910 bis 1912. Wieder war es der Architekt Wilhelm Jost, der mit dem Bau beauftragt wurde. Offenbar hatte er mit dem Sprudelhof und den Badehäusern den Geschmack des Großherzogs getroffen.
Es ist ein geschlossenes Gebäudeensemble mit recht symmetrischem Grundriss, das man hier sieht. Die Grundidee erinnert an den Sprudelhof.
Durch einen Wandelgang sind die Trinkhalle und der Brunnenpavillon miteinander verbunden.
Den Mittelpunkt der Trinkhalle bildet der große Ausschank, der von einer goldgerahmten Kuppel überwölbt wird. Darunter befinden sich die Wasserhähne aus denen die Heilwässer der Bad Nauheimer Trinkbrunnen sprudeln.
Gurgelräume für Männer und Frauen sind in den Seitenbereichen untergebracht. Elegant und zurückgenommen ist die Ausgestaltung des Raumes. Der eigentliche Ausschanktresen muss nicht konkurrieren.
Trinkkuranlage – Kurbrunnen
Der Kurbrunnen ist umgeben von einem achteckigen Pavillon, der ein wenig an einen antiken Tempel erinnert. Gittertüren von Ernst Riegel mit floralen Motiven und dem hessischen Löwen hindern den Kurgast außerhalb der Öffnungszeiten am Betreten des „Heiligtums“. Aber wenn man es betritt, so bemerkt man die sakrale Atmosphäre, die die Bauherren hier erschaffen wollten. An eine Galerie erinnernd kann man sich rund um die tiefergelegene Quelle bewegen. Eine Treppe führt zu ihr hinab und hier sieht man dann die goldene Kugel aus der die Heilwasser entspringen.
Die figürlichen Ornamente im Innern des Kurbrunnenpavillons zeigen Kindergestalten, die auf Stieren, Widdern oder anderen Tieren sitzen. Manche Darstellung erinnert an die der Europa auf dem Stier.
Alles wirkt ausgesprochen weihevoll, ja beinahe sakral in diesem dem Heilwasser gewidmeten Bau. Der Brunnen selbst liegt etwa 4 Meter unterhalb des normalen Laufniveaus. Das Innere des Brunnenraums ist aus geschliffenem Muschelkalk.
Durch einen Umgang, einer Wandelhalle vergleichbar, erreicht man von hier auch die eigentliche Trinkhalle.
Trinkkuranlage – Wandelhalle
Ähnlich wie auch schon im Sprudelhof, gibt es auch hier in der Trinkkuranlage ausgedehnte Wandelhallen. Sie schirmen die Trinkkuranlage vor allem vom Ernst-Ludwig-Ring ab. Ehemals befand sich hier, direkt hinter der Trinkkuranlage ein großes Hotel. Das Gebäude ist noch heute erhalten, dient aber inzwischen als Wohnhaus.
Diese Seite ist der eigentliche Haupteingang in die Trinkkuranlage. Tritt der Kurgast durch dieses Südportal, so sieht er von hier direkt auf die große Konzertmuschel mit vorliegendem, flachen Teich. Drei große Bogentüren bilden den Eingang. Hier konnte der vornehme Kurgast mit der Kutsche vorfahren. Der Wandelgang ist mit antikisierten Tempelgiebeln versehen. Ionische sowie dorische Säulen finden innen bzw. außen liegend. Die Decke des Wandelgangs ist mit einer Kassettendecke versehen. Eine große Freitreppe am Ernst-Ludwig-Ring empfängt den Besucher. Schon während des Betretens der Trinkkuranlage vermittelt sich dem Ankommenden ein sakrales Gefühl, das an griechische Tempel erinnert. Manch einer verglich es gar mit den Propyläen der Akropolis in Athen.
Trinkkuranlage – Musikmuschel
Die Musikmuschel ist ein vor allem technisch beeindruckender Gebäudeteil, denn hier wurde der für die damalige zeit neuartige Betonbau genutzt. Die Wirkung der Muschel wird dadurch noch gesteigert, dass sie mit einer Kassettierung bemalt ist. An diesen „Musiktempel“, wie Wilhelm Jost den Bau selber nannte, schließen sich Wandelhalle und Kleiderablagen an. Pergolen überspannte Gänge verbinden die Musikmuschel mit dem Trinkbrunnen auf der einen und einem Saal auf der anderen Seite.
Noch heute wird die Musikmuschel regelmäßig für Konzerte und Aufführungen genutzt. Eine Bestuhlung wird rund um den Teich dafür aufgebaut und auch der Teich zeitweilig mit in die Aufführungen integriert.
Auch für schlechtes Wetter war vorgesorgt, denn in den seitlichen Gebäuden der Trinkkuranlage befinden sich Säle in denen bei Regen oder Kälte die Konzerte stattfinden konnten.
Vor allem die Frühkonzerte waren es, die ursprünglich hier stattfanden und das internationale Publikum anzogen. Damit ergänzte die Musikmuschel das sonstige Freizeitangebot. Die Akustik der Musikmuschel mit dem sie umgebenden Gebäudeensemble ist erstaunlich gut und lädt definitiv zum Verweilen ein.
Inhalatorium
Von den Jugendstilgebäuden in Bad Nauheim ist das Inhalatorium das älteste. Auch dieser Bau wurde vom Wilhelm Jost entworfen und verantwortet. Allerdings steht er nicht in Verbindung mit dem neuen Gesamtkonzept von Sprudelhof und Trinkkuranlage.
Dies wird auch schnell deutlich, wenn man sich dieses Gebäude anschaut. Denn von außen hat es zunächst wenig mit dem Jugendstil und dem Neobarock bzw. Neoklassizismus der anderen Bauten zu tun. Es ist ein Fachwerkbau, den der Gast hier zu sehen bekommt. Erst bei näherer Betrachtung fallen die Jugendstilelemente ins Auge, die sich vor allem in den Fenstern und der Dekoration verbergen.
Schon früh war den Badeärzten aufgefallen wie heilsam das Einatmen der salzhaltigen Aerosole war. Das galt und gilt vor allem für Menschen mit Atemwegserkrankungen. Für diesen Zweck wurde das Inhalatorium in Bad Nauheim errichtet. Wilhelm Jost beschreibt in einem Aufsatz selber genau die Funktionsweise und die medizinischen Apparaturen, die es hier ursprünglich gab.
Heute befindet sich die Stadtbücherei von Bad Nauheim im ehemaligen Inhalatorium. Und durch ihre Ausgestaltung zählt sie sicherlich zu den schönsten Stadtbibliotheken Deutschlands.
Mehr Bilder und Informationen zum Inhalatorium von Bad Nauheim finden Sie auf dem Pinterest-Board “Bad Nauheim – Jugendstil – Inhalatorium” und auf dem Pinterest-Board “Bad Nauheim Jugendstil – Trinkkuranlage”.
Beitragsbild:
Eingang zur Trinkkuranlage in Bad Nauheim vom Ernst-Ludwig-Ring
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0
Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen
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