Panorama Bad Nauheim
Innenstadt

Bad Nauheim Innenstadt und Altstadt

Wer heute durch Bad Nauheim läuft, durch die Innenstadt und Altstadt, der erkennt schnell, dass sich diese Stadt eigentlich aus drei, vielleicht sogar eigentlich vier Teilen zusammensetzt. Da gibt es den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Teil – die eigentliche Altstadt. Daran an schließt sich die Innenstadt, die aus dem ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert stammt. Sie wird ergänzt durch das Jugendstilensemble, erschaffen von Wilhelm Jost und dem Großherherzog Ernst Ludwig. Drumherum erstreckt sich das moderne Bad Nauheim mit seinen Kurkliniken und neu erbauten Wohnhäusern.

Bei einem solchen Rundgang ist es schön zu sehen, dass man hier nicht die eine alte Stadt abgerissen hat, um eine neue zu bauen. Man hat vielmehr immer einen neuen Teil an den alten angebaut und so ist ein Spaziergang durch Bad Nauheim heute gleichsam ein Spaziergang durch die lange Geschichte der Stadt.


Altstadt von Bad Nauheim
Fachwerk in der Altstadt von Bad Nauheim
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Altstadt

Die Altstadt von Bad Nauheim zeigt noch heute die Anfänge des kleinen Ortes Nauheim in der Wetterau. Im Mittelalter und bis hinein in die Neuzeit war das heutige Bad Nauheim ein Söderdorf. Hier lebten nicht allzu viele Menschen und große Reichtümer konnten sie mit dem Sieden von Salz auch nicht anhäufen.

Obwohl in Bad Nauheim spätestens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts viel Neues entstand und ein wahrer Bauboom einsetzte, ist die Altstadt noch heute gut sichtbar. Viele historische Fachwerkhäuser und auch das barocke Rathaus haben sich erhalten und auch der ehemals von einer Stadtmauer umgebene Bereich setzt sich noch heute deutlich vom Rest der Innenstadt ab. Im frühen 19. Jahrhundert war es, als man die im 15. Jahrhundert entstandene Stadtbefestigung entfernte, um Platz für Neues zu schaffen.

Erhalten geblieben aber ist zum Beispiel auch die Burgpforte und die wurde weltberühmt. Ein Umstand, den wohl niemand für möglich gehalten hätte bevor sie Hintergrund eines Plattencovers von Elvis Presley wurde.


Parkstraße Bad Nauheim
Innenstadt und Altstadt
Parkstraße in Bad Nauheim
historische Postkarte

Innenstadt

Der Bereich der heutigen Innenstadt von Bad Nauheim entstand in weiten Teilen Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Große mondäne Bürgerhäuser der Gründerzeit und ehemalige Hotels wechseln sich ab. Noch heute sieht man den Reichtum, der mit den Kurgästen aus aller Welt in das ehemalige Söderdorf einzog.

Vielen glücklichen Umständen verdankt es Bad Nauheim, dass die Stadt im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört wurde. Manche dieser Umstände sind belegt und manche vielleicht nur eine schöne Geschichte. Fakt ist, dass die Stadt im Zweiten Weltkrieg der Unterbringung kriegsgefangener Offiziere diente. Sicher ein wichtiger Grund für die Alliierten die Stadt nicht zu bombardieren. Ein weiterer Grund könnte der gewesen sein, dass es einen Befehl von ganz oben gab. Falls dies stimmen sollte, so wäre es eine beinah zu schöne Geschichte. Fakt jedenfalls ist, dass Franklin Delano Roosevelt (1882-1945) als Kind mehrfach in Bad Nauheim war und dort auch zeitweilig zur Schule ging. Seinen Briefen kann man entnehmen, dass er sich hier sehr wohl fühlte und vielleicht gab er ja wirklich den Befehl die Stadt zu verschonen.

Nun, warum auch immer, die Innenstadt von Bad Nauheim jedenfalls blieb vom Krieg unversehrt und zieht noch heute den Besucher in ihren Bann: die schöne Gründerzeit-Architektur und die vielen kleinen Cafés, Bars und Kneipen laden zu einem Besuch ein.


Dankeskirche Bad Nauheim
Dankeskirche Bad Nauheim
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Dankeskirche

Die zentrale Kirche in Bad Nauheim ist die Dankeskirche. Errichtet wurde sie in den Jahren 1897 bis 1906 als neugotische Hallenkirche. Da die ursprünglich für die evangelischen Gottesdienste genutzte barocke Wilhelmskirche zu klein geworden war, bedurfte es eines Neubaus. Schon 1893 begannen die Planungen, die sich allerdings hinzogen, da zunächst kein passender Standort gefunden werden konnte. Erst der Abriss des ersten jemals in Bad Nauheim errichteten Badehauses machte ihren Bau möglich. Heute befindet sie sich an zentraler Stelle zwischen Trinkkuranlage und Sprudelhof.

Ihren Namen verdankt die „Dankeskirche“ dem „Dank“ der Bad Nauheimer für die Heilquellen, die das ehemalige Söderdorf zum mondänen Weltbad aufsteigen ließen.

Eingeweiht wurde die Dankeskirche in der großen Zeit Bad Nauheims. In der Zeit, in der der neue Sprudelhof entstand, die neuen und modernen Badehäuser errichtet wurden, ebenso die Trinkkuranlage und Bad Nauheim an allen Ecken zu wachsen begann und sich dem Jugendstil verschrieb. Es wundert daher nicht, dass auch die Einweihung ein großes Tamtam war und unter Anwesenheit des Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein sowie der gesamten Regierung des Großherzogtums erfolgte.


Wilhelmskirche Bad Nauheim
Altstadt und Innenstadt
Foto: Osingar – CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Wilhelmskirche – Innenstadt und Altstadt

In ihrem äußeren Erscheinungsbild ähnelt die Wilhelmskirche der etwas älteren Reinhardskirche auf den ersten kurzen Blick. Auch sie hat eine weiße Fassade deren Ecken ziegelrot sind. Die Ähnlichkeit liegt sicherlich nicht zuletzt darin begründet, dass beide Kirchen den gleichen Architekten haben: Christian Ludwig Hermann (1987/88-1751).

Zum Bau der Wilhelmskirche kam es, als die Familie der lutherischen Landesherren – die Grafen von Hanau – in männlicher Linie ausstarben und Bad Nauheim im Jahr 1736 an die Landgrafen von Hessen-Kassel fiel. Die Landgrafen ihrerseits waren reformierter Konfession und erklärten sich bereit der Nauheimer reformierten Gemeinde beim Bau einer neuen Kirche zu helfen.

So wurde die mittelalterliche Kirche abgerissen und 1740-1742 eine neue Kirche errichtet. Diese neue Kirche verdankt ihren Namen dem Landgrafen Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel (1682-1760), der ihren Bau förderte.

Nach der Errichtung der Dankeskirche im Jahr 1906 wurde die Wilhelmskirche für Gottesdienst aufgegeben. Sie dient seither als Gemeindezentrum der evangelischen Gemeinde und wurde mehrfach umgebaut.


Reinhardskirche Bad Nauheim 
Altstadt und Innenstadt
Reinhardskirche Bad Nauheim
Foto: Reinhardhauke – CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Reinhardskirche – Innenstadt und Altstadt

Die Reinhardskirche ist die wohl älteste erhaltene Kirche in Bad Nauheim. Erbaut wurde sie in den Jahren 1731-1733 und war zunächst die Heimat der lutherischen Minderheit in der Stadt. Die Grafschaft Hanau-Münzenberg – zu der Bad Nauheim damals gehörte – war nämlich überwiegend reformiert evangelisch.

Christian Ludwig Hermann (1687/88-1751) war der Architekt der Reinhardskirche. Es handelt sich bei dieser Kirche um einen Saalbau. Dem Betrachter fallen sofort die großen Rundbogenfenster auf, die leicht gotisch anmuten. Über dem Haupteingang erhebt sich der Glockenturm.

Gebaut wurde die Kirche auf Veranlassung des Grafen Johann Reinhard III., dem sie auch ihren Namen verdankt. Er entstammte der Familie Hanau-Lichtenberg, die im Gegensatz zu den inzwischen ausgestorbenen Münzenbergern lutherischer Konfession war und daher den Bau lutherischer Kirchen in seinem Herrschaftsgebiet förderte.

Im Jahr 1818 kam es zur sog. „Hanauer Union“ wodurch die reformierte und die lutherische Konfession vereinigt wurden. Dies machte eine eigene lutherische Kirche letztlich überflüssig und so wurde die Reinhardskirche ab 1824 für Gottesdienst aufgegeben. Zwischenzeitlich wollte man sie sogar abreißen. Aber diesem Schicksal entging sie, da die Wilhelmskirche renovierungsbedürftig war. Ab 1836 wurde sie kurzzeitig wieder genutzt und stand dann bis 1866 erneut leer, um dann der katholischen Gemeinde als Gotteshaus zu dienen.


Die Reinhardskirche als Russisch-Orthodoxe Kirche

Heute ist die Reinhardskirche eine russisch-orthodoxe Kirche. Diesen Umstand verdankt sie der großen Zahl russischer Kurgäste im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Pfarrhaus und Kirche wurden 1907 vom orthodoxen Kirchenverein “Bruderschaft des heiligen Fürsten Wladimir” gekauft. Bis heute befindet sie sich in dessen Besitz.

In den Jahren 1907 und 1908 wurde die Reinhardskirche umgebaut. Ihre Weihe zur russisch-orthodoxen Kirche erhielt sie am 27. Juni 1908 durch Bischof Wladimir (Putjata) von Kronstadt.
Die Schirmherrschaft über die Kirche übernahmen die beiden geborenen Prinzessinnen von Hessen und bei Rhein, Kaiserin Alexandra Feodorowna und ihre Schwester Großfürstin Elisabeth Feodorowna.

Von herausragender Bedeutung ist vor allem die Ikonostase. Gestiftet wurde sie von Herzogin Maria Alexandrowna von Sachsen-Coburg-Gotha, Mutter von Victoria Melita, der ersten Gattin des Großherzogs Ernst Ludwigs.

Bis heute gibt es eine – wenn auch kleine – russisch-orthodoxe Gemeinde in Bad Nauheim. Die Kirche wird, wenn auch nur noch selten, bis heute für deren Gottesdienst genutzt.


Kirche St. Bonifatius - Bad Nauheim
St. Bonifatius Kirche Bad Nauheim
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

St. Bonifatius

Auch eine römisch-katholische Kirche gibt es in Bad Nauheim. Hier in dieser eigentlich evangelisch geprägten Stadt entstand sie im Laufe des 19. Jahrhunderts. Es waren die vielen katholischen Kurgäste, die zu ihrer Erbauung beitrugen, denn auch sie wollten während ihres Kuraufenthaltes nicht auf ihre sonntäglichen Messen verzichten.

Die ersten katholischen Messen wurden in der Reinhardskirche gefeiert, die von der wachsenden katholischen Gemeinde Ende des 19. Jahrhunderts angemietet worden war. Im Jahr 1905 war es dann soweit, dass die inzwischen gar nicht mehr so kleine katholische Gemeinde eine eigene Kirche errichtete.

St. Bonifatius wurde im neugotischen Stil errichtet und dient seit ihrer Einweihung der katholischen Gemeinde als ihr Zentrum.


Englische Kirche - Johanneskirche Bad Nauheim
Englische Kirche Bad Nauheim
historische Postkarte

Johanneskirche – Englische Kirche

“Englische Kirche” nennen die Bad Nauheimer bis heute die Kirche, die eigentlich “Johanneskirche” heißt.

Als “englische Kirche” wird sie gemeinhin bezeichnet, weil sie in den Jahren 1898 und 1899 von der British and European Lands and Buildings Company errichtet wurde. Der Grund dafür waren die vielen britischen und auch amerikanischen Kurgäste, die es in jenen Jahren in Bad Nauheim gab.

Ein sicher nicht unwichtiger Grund, vor allem für die vielen britischen Kurgäste, war die enge Verwandtschaft zwischen den Großherzögen von Hessen und bei Rhein und dem britischen Königshaus. So war der Großherzog Ernst Ludwig ein Enkel von Queen Victoria.

Die Pläne hatten Prof. Rosenhauer von der Kunstschule Offenbach und der Architekt A. Becker aus Gießen erstellt. Eingeweiht wurde die Kirche im September 1899 vom Bischof von Norwich in Anwesenheit von Prinzessin Helena Augusta Victoria von Großbritannien und Irland (1846-1923) verheiratet mit Prinz Friedrich Christian Karl August von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (1831-1917). Sie war das fünfte Kind der britischen Königin Victoria. Heute dient die etwas abseits gelegene Kirche der evangelischen Kirche immer noch für ihre Gottesdienste.


Synagoge Bad Nauheim
Die Synagoge von Bad Nauheim
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Synagoge

„Mit der Zeit zu gehen und Neubauten dem jeweils modernen Architekturstil anzupassen, diesem Credo blieb man in Bad Nauheim auch nach dem jähen Ende des Jugendstils weiterhin treu.  So wundert es nicht, dass sich auch der Bauhaus-Stil in dieser Stadt verewigt findet, es wundert vielleicht nur in welchem Gebäude er sich findet: Es ist die Synagoge der Stadt.“

1929 wurde die Synagoge im Stil der neuen Sachlichkeit, bzw. des Bauhaus errichtet.

Wohl seit dem 14. Jahrhundert hat es einige jüdische Einwohner in Bad Nauheim gegeben. Erst der zunehmende Kurbetrieb ab Mitte des 19. Jahrhunderts führte immer mehr Menschen jüdischen Glaubens in die Stadt. Den jüdischen Einwohnern und Gästen diente zunächst die gegen Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Synagoge auf der Karlstraße für ihre Gottesdienste. Sie wurde allerdings bald zu klein. Daher entschloss man sich in den 1920er Jahren zu einem Neubau etwas weiter südlich auf der gleichen Straße.

„Das Gebäude kündet mit seinem straßenseitigen Flachdach von der neuen Stilrichtung, die sich nach dem Ersten Weltkrieg bahn brach. Die rundbogig geformten Fenster deuten noch ältere Architekturformen an, verstellen aber nicht den Blick auf die Modernität des Baus, der vom Architekten Richard Kauffmann [1887-1958] gestaltet wurde.“

In der Reichspogromnacht wurde die Synagoge beschädigt, konnte aber gerettet werden. Bereits Anfang des Jahres 1945 wurde sie notdürftig wiederhergestellt und erste jüdische Gottesdienste fanden statt.

In den 1960er und erneut in den 1980er Jahren wurde die Synagoge umfangreich saniert und wird heute von den jüdischen Bürgern Bad Nauheims wieder in alter Form genutzt.


Mehr Bilder und Informationen finden Sie auf dem Pinterest-Board “Bad Nauheim Innenstadt – Altstadt – Gründerzeit”.

Beitragsbild:
Blick auf Bad Nauheim vom Johannisberg
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0


Dr. Anja Kircher-Kannemann
Dr. Anja Kircher-Kannemann

Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen

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