Maschinenzentrale Bad Nauheim Goldstein
Maschinenzentrale

Die Maschinenzentrale von Bad Nauheim

Die Maschinenzentrale ist sozusagen das technische Herz der Jugendstilanlagen von Bad Nauheim. Sie umfasst sowohl ein Elektrizitätswerk, als auch eine Fernheizanlage und eine Eisfabrik. Der Architekt Wilhelm Jost plante sie genauso detailliert und akribisch wie auch die Bereiche für die Kurgäste, denn nur eine funktionierende Technik ermöglichte ihnen einen angenehmen und komfortablen Aufenthalt.

Erstaunlich ist immer wieder, dass Jost dabei nicht etwa bestrebt war die Technik, die den Badehäusern und dem Sprudelhof zur Funktion und zum Komfort verhalf zu verstecken; obwohl man dies eigentlich hätte vermuten sollen. Doch die Zeit des Jugendstils war auch eine Zeit in der die Moderne und vor allem die moderne Technik gefeiert wurden und so dienten auch sie zum Aufbau eines guten Rufs und des Renommees. Das hieß: man konnte auch die Technik durchaus zeigen. Und dies tat Wilhelm Jost direkt hinter dem Bahnhof am Goldstein. Die Maschinenzentrale von Bad Nauheim und weitere technische Gebäude, die er dort errichtete beschrieb er selbst im Jahr 1909 im Zentralblatt der Bauverwaltung:


Die Maschinenzentrale

„Unter der Bezeichnung „Maschinenzentrale“ wurde in den Jahren 1905 und 1906 gegenüber vom Bahnhofsgebäude in Bad Nauheim ein Gebäude errichtet, in dem das staatliche Elektrizitätswerk, eine Fernheizanlage und eine Eisfabrik untergebracht sind. Die aus praktischen Gründen gemeinsame Kesselanlage bedingte die Zusammenlegung der Betriebe in einem Gebäude. Der große Dampfbedarf für die Fernheizanlage erklärt die überwiegende Größe des Kesselhauses und dessen besondere Betonung im Aufbau. Der Bauplatz ist mit Rücksicht auf den Gleisanschluß in unmittelbarer Nachbarschaft der Bahn auf staatlichem Gelände gewählt worden. Parallel zum Bahnkörper erhebt sich zunächst ein niedriger Kohlenschuppen, der von dem hohen Dach des Kesselhauses überragt wird, das seinerseits zur Betonung dieser Staffelung zwei übereinander angeordnete Fenstergruppen und darüber vier Entlüftungsdachreiter zeigt. An der Südwestecke ist die Eisfabrik, entsprechend ihrem mehr selbständigen Betrieb (die Maschinen werden durch Elektromotoren angetrieben), auch als ein ziemlich lose mit dem Hauptbau zusammenhängender Bauteil angegliedert. Hinter dem Kesselhause, in der Hauptausdehnung parallel zu jenem, liegt das Maschinenbaus; dem sich nach Süden der Schaltraum und die üblichen Nebenräume, wie Werkstätte, Bureau, Arbeiterbrausebäder und Aufenthaltsräume, letztere in etwas reicherem Maße als sonst üblich, anschließen. In dem südlichen Flügel ist über diesen Nebenräumen eine Wohnung für den Werkmeister eingebaut. Im Keller desselben Flügels liegt der Akkumulatorenraum.“


Maschinenhaus am Goldstein,
aus: Wilhelm Jost: Die Neuanlagen in Bad Nauheim, in: Zentralblatt der Bauverwaltung, Nr. 21 (1909) S. 145-146, hier S. 145.

Die Ausgestaltung der Maschinenzentrale

„Das Gebäude ist im Äußerem mit Basaltlava aus Oberhessen in Schiechsteinen verkleidet, nur die Nordseite und die Stürze der breiten Fenster des Maschinenhauses stehen in rauhem Putz. Das Dach ist mit Ziegeln als Kronendach eingedeckt. Der Schornstein mit einem oberen lichten Durchmesser von 2 m hat außen quadratischen Querschnitt, die Zwickel in den Ecken sind zur Entlüftung des Akkumulatorenraumes benutzt. Im Inneren ist versucht, eine zweckmäßige und dauerhafte Ausbildung mit den neuzeitlichen Grundsätzen durchzuführen. Das Kesselhaus hat eine 1,50 m hohe Verkleidung aus sogenannten Spaltblendern der Aktienziegelei von W. Gail in Gießen, darüber abgezogenen, geweißten Kellenbewurf. Die sichtbare Verschalung des Dachwerks und dieses selbst sind farbig gestrichen. Im Maschinenhause sind statt der Spaltblender Porzellanplatten in einfachem Muster verwandt. Werkstätte, Ankleideraum und Aufenthaltsraum für die Arbeiter haben einfache Holzverkleidung. Der Fußboden des Akkumulatorenraums besteht aus sogenanntem Dörrit, einer Art säurefestem Asphalt, der große Härte besitzt; er hat sich bis jetzt gut bewährt. An der Südseite des Kesselhauses, das auf gleicher Höhe wie die Gleise der Bahn liegt und deshalb in dem ansteigenden Gelände eingeschnitten ist, geht der Fernheizkanal nach dem Badegebiet ab.“


Kesselhaus Bad Nauheim – Goldstein
aus: Wilhelm Jost: Die Neuanlagen in Bad Nauheim, in: Zentralblatt der Bauverwaltung, Nr. 21 (1909) S. 145-146, hier S. 146.

Die Kosten der Maschinenzentrale

„Die Kosten des Gebäudes ohne Maschinenlieferung, aber mit Einschluß der Kessel- und Maschinenfundamente, der Fuchszüge, des Schornsteins und der Wasserleitungsanlagen, betrugen mitsamt den Nebenanlagen rund 306 000 Mark. Die Bauarbeiten wurden im September 1905 begonnen, vom 15. Mai 1906 ab erfolgte die regelmäßige Stromlieferung an die Stadt Bad Nauheim, die wegen Abgabe von elektrischem Strom mit dem hessischen Staat, als dem Erbauer und Besitzer des Werkes, einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen hat. Somit dient das neue Werk dem Staat und der Stadt gemeinsam. Da bei dem eigenartigen starken Saisonbedarf, dem fast gar kein Ausgleich im Winter gegenübersteht, das Werk trotzdem ungünstig belastet ist, rechnete man mit der Möglichkeit des Anschlusses weiterer Gemeinden und hat dementsprechend und auch wegen der voraussichtlichen Zunahme des Besuches des Bades reichlich Platz für Erweiterung im Kessel- und Maschinenhaus vorgesehen. Von beteiligten Firmen sind hauptsächlich zu nennen: Th. Morschel, Friedberg, für die Erd- und Maurerarbeiten, Franz Hof, Frankfurt a. M., für den Schornstein, Hein, Lehmann u. Ko., Reinickendorf-Berlin, für die eisernen Dachstühle des Kessel- und Maschinenhauses, Abermann u. Kling, Gießen, für die Basaltlavalieferung. Entwurf und Ausführung des Gebäudes, ausschließlich des maschinellen Teils, erfolgte durch die Großh. Baubehörde für die Neubauten in Bad Nauheim unter verantwortlicher Leitung des Unterzeichneten. Bei Anfertigung der Entwurfsskizzen war der Großh. Regierungsbauführer Marx beschäftigt, während mit der weiteren Bearbeitung und der Ausführung seit Ende Juli 1905 der Großh. Regierungsbaumeister Kraft beauftragt war. (Fortsetzung folgt.) Jost.“[1]


[1] Wilhelm Jost: Die Neuanlagen in Bad Nauheim, in: Zentralblatt der Bauverwaltung, Nr. 21 (1909) S. 145-146.


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Beitragsbild:
Maschinenzentrale von Bad Nauheim am Goldstein, aus:
Wilhelm Jost: Die Neuanlagen in Bad Nauheim, in: Zentralblatt der Bauverwaltung, Nr. 21 (1909) S. 145-146, hier S. 145.


Dr. Anja Kircher-Kannemann
Dr. Anja Kircher-Kannemann

Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen

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