Dampfwaschanstalt Bad Nauheim
Technik

Technische Gebäude der Jugendstilanlagen Bad Nauheim

Spätestens an der Technik der Jugendstilanlagen kann man die Fortschrittlichkeit ermessen, die mit den Plänen von Wilhelm Jost in Bad Nauheim einzog. In der Fachzeitschrift „Der Industriebau“ war 1910 folgendes zu lesen: „Wer einmal diese Gebäude auf der Fahrt Frankfurt – Gießen vom Zug aus gesehen hat, wird diese charakteristischen Zeitbilder im Gedächtnis behalten.“

Dieses Urteil kann man noch heute unterschreiben, denn noch heute sind die technischen Anlagen vorhanden. Sie befinden sich jenseits des Bahnhofs am Goldstein und versorgen Sprudelhof und Badehäuser. Bis heute kann man hier die Gebäude, die für die Maschinenzentrale, die Saline und die Waschanstalt errichtet worden waren, sehen und der hohe Schornstein überragt bis heute weithin sichtbar den Bahnhof. Dass die technischen Gebäude hier – eigentlich gut sichtbar – errichtet wurden, ist für die damalige Zeit eher ungewöhnlich. Eigentlich sollten solch technische Funktionsbauten gemeinhin unsichtbar sein. Wilhelm Jost aber entschied sich anders. Statt die technischen Bauten wirklich zu verstecken, gab er ihnen ein modernes, schlichtes aber dennoch elegant wirkendes Äußeres.

In seinen Lebenserinnerungen setzte sich Wilhelm Jost auch noch einmal mit den technischen Bauten von Bad Nauheim auseinander und macht seine durchaus ambivalente Haltung gegenüber der Technik sehr deutlich:

“Wir Architekten sind der Meinung, und ich habe das immer auch in den Zeiten der sogenannten “Neuen Sachlichkeit” betont, daß die Technik – und sei es auch in der Form der höchsten Leistungen der Elektrizität, Wärmetechnik oder sonst irgendwelcher Art – eben doch nur Dienerin sein soll und zwar möglichst unaufdringliche Dienerin.”

Wilhelm Jost: Erinnerungen aus meinem Leben, in: Führer durch den Sprudelhof Bad Nauheim, hg. v. Britta Spranger, Mainz 2000, S. 92.
Rohrleitungssystem  für die Badehäuser in Bad Nauheim
Rohrleitungssystem für die Badehäuser in Bad Nauheim
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Aber er machte auch klar, wie hoch er die Technik, zumal jene in Bad Nauheim und die Arbeiten des Tiefbauamtes wertschätzte:

“Die weitverzweigten Rohrleitungen von den Sprudeln zu den Badewannen und zu den Speicherbehältern, die Leitungen des Fernheizwerks von jenseits der Bahn bis herunter zu den Badehäusern und vieles andere waren Meisterstücke technischer Leistung besonders auch für die damalige Zeit.”

Wilhelm Jost: Erinnerungen aus meinem Leben, in: Führer durch den Sprudelhof Bad Nauheim, hg. v. Britta Spranger, Mainz 2000, S. 92.

Maschinenzentrale Bad Nauheim - Goldstein
Maschinenzentrale Bad Nauheim
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Technische Gebäude – Maschinenzentrale

In ganz besonderem Maße ist die Maschinenzentrale ein Ausdruck der modernen Technik jener Zeit. Dass man diese Technik besaß und auch nutzte, das durfte ruhig jeder Gast sehen. Es war ein Ausdruck von Fortschrittsgeist solche Technik im Einsatz zu haben. So zeigten den der Großherzog und mit ihm die Stadt Bad Nauheim ihre Modernität. Dem Reisenden, der mit dem Zug nach Bad Nauheim kommt, fällt zunächst die Kesselhalle der Maschinenzentrale auf. Ihr großes Dach ist unübersehbar. Auf dem Dach sitzen Lüftungstürmchen, die elegant gerundet sind und die typischen Formen des Jugendstils widerspiegeln. Den Giebel zieren blau glasierte Ziegel, wie man sie auch im Schmuckhof von Badehaus 2 findet. Das Motiv, das Jost am Giebel der Turbinenhalle wählte, erinnert an Eiszapfen. Wenn man weiß, dass sich hier auch eine Eisfabrik befand, dann ist klar warum dieses Motiv gewählt wurde.

Der weithin sichtbare Schornstein hat die Anmutung eines Obelisken und ist leicht aus der Symmetrie der Gesamtanlage herausgerückt.


Dampfwaschanstalt Bad Nauheim technische Gebäude
Dampfwaschanstalt Bad Nauheim
Foto: Marco Benecke CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Technische Gebäude – Waschanstalt

Die Waschanstalt, genauer gesagt Dampfwäscherei, befindet sich ebenfalls in diesem Gebäudeensemble. Sie steht ein wenig entfernt vom Kraftwerk und fällt durch ihre weiß verputzte Fassade sofort ins Auge. Die Form hat neobarocke Züge. Geplant hat Wilhelm Jost diesen Gebäudebereich im Jahr 1908 und er wurde fast gleichzeitig mit der Maschinenanlage errichtet.

Da im Badebetrieb ausgesprochen viel Wäsche anfiel, war es sinnvoll für einen solchen Kurort eine eigene Wäscherei zu betreiben. Man kann sich die ungeheuren Mengen an anfallender Wäsche kaum mehr vorstellen. Täglich wurden damals in Bad Nauheim ca. 3.500 Bäder verabreicht und bei jedem dieser Bäder wurden ein großes Badetuch, ein Handtuch, ein Bodentuch und ein Wannentuch benutzt.

Das heiße Wasser, das man hier benötigte, stammte aus der Maschinenzentrale. Gleiches gilt für die Elektrizität und den Dampf. Aufgrund diverser Änderungswünsche durch die Badeverwaltung wurde die Dampfwaschanstalt letztlich deutlich größer als ursprünglich geplant. Die Kosten beliefen sich ohne Maschinen auf über 145.000 Mark.


Gewächshaus in der Gärtnerei von Bad Nauheim
Foto aus: W. Jost: Die Neuanlage von Bad Nauheim, in: Zentralblatt der Bauverwaltung Nr. 101 (1911), S. 643f. – gemeinfrei

Gärtnerei

Die Gärtnerei ist nicht wirklich ein technisches Gebäude, aber auch Jost zählte sie zu diesem Komplex hinzu. Eine Gärtnerei hatte es in Bad Nauheim schon früh gegeben. Der Kurpark war von Heinrich Siesmeyer im Jahr 1857 erstellt worden und seither gab es auch eine Gärtnerei. Aufgabe der Gärtnerei war es auch die Pflanzen, die für die Ausgestaltung etwa des Kurhauses und der Trinkuranlage vorgesehen waren, zu pflegen. Die Pläne von Wilhelm Jost sahen vor eben diese Gärtnerei zu verlegen, denn ursprünglich befand sie sich im Bereich der heutigen Trinkkuranlage.

Mit dem Neubau der Gärtnerei wurde im Spätsommer des Jahres 1906 begonnen und im Sommer 1907 erfolgte der Umzug. Da man zur damaligen vor allem Palmen und andere exotische Gewächse zur Dekoration verwendete, benötigte die Gärtnerei eine Überwinterungshalle. Dazu kamen ein Palmenhaus, ein Pelargonienhaus und auch zwei Gewächshäuser. Darüber hinaus sahen die Pläne von Jost auch eine Wohnung für den Gärtner sowie Werkstätten, Lagerhallen und einen Pferdestall vor. Auch die Parkbänke wurden hier den Winter über untergebracht. Die Kosten beliefen sich auf rund 73.000 Mark.


alte Saline Bad Nauheim
Bild der alten Saline von Bad Nauheim
historische Postkarte um 1900

Technische Gebäude – Saline

Salz hatte einst überhaupt zur Gründung Bad Nauheims geführt. Schon die Kelten hatten sich hier angesiedelt, um Salz zu gewinnen und Salz ist eigentlich bis heute aus Bad Nauheim nicht wegzudenken. Salz ist sozusagen – neben den Quellen – das Lebenselixier dieser Stadt und vor allem des Kurbetriebs.

Zwar trat das Salz im Laufe der Zeit besonders hinter den warmen Quellen zurück, aber darauf gänzlich verzichten wollte und konnte man nicht. Daher widmete sich Wilhelm Jost in seiner Planung auch einer neuen Salinenanlage. Eine solch neue Saline war vor allem deswegen notwendig, da die alte Saline sehr ungünstig gelegen war und dringend benötigten Raum im innerstädtischen Bereich einnahm.

Im neu errichteten Salinengebäude sollten ein Siederaum sowie drei Kochsalz- und eine Mutterlaugenpfanne untergebracht werden. Jede dieser Siedepfannen benötigte eine eigene Feuerung und somit auch einen eigenen Kamin. Darüber hinaus bedurfte es eines Kohlenbunkers. Um die Kohle möglichst einfach zur Saline gelangen zu lassen, sollte sie möglichst neben einem Gleisanschluss liegen. Zusätzlich benötigte man auch noch einen Salzspeicher für das hier gewonnene Salz.

Eines jedenfalls hat Wilhelm Jost hier in Bad Nauheim bewiesen: technische Gebäude können schön sein.


Gradierwerk Südpark Bad Nauheim
Gradierwerk mit Wasserrad im Südpark von Bad Nauheim
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Gradierwerke

Die Gradierwerke sind kein Werk von Wilhelm Jost. Sie sind deutlich älter und bestimmen bereits seit mehreren hundert Jahren das Gesicht der Stadt Bad Nauheim. Bis heute sind sie ein Anziehungspunkt für die Kurgäste. Hier kann man sich auf Bänken niederlassen und die salzhaltige Luft einatmen, die sie verströmen. Eine Wohltat für jeden Menschen mit Atemwegsproblemen. Die Luft – speziell in der Nähe der Gradierwerke – ist wie ein Ausflug ans Meer.

Gradierwerke werden mancherorts auch Leckwerke genannt. Sie dienen ursprünglich der Salzgewinnung. Errichtet sind Gradierwerke traditionell aus Holz. Die Holzgerüste im Innern werden durch Reisigbündel verdeckt. Traditionell benutzt man hierzu in aller Regel Schwarzdorn.

Der Begriff Gradierwerk leitet sich vom Verb „gradieren“ ab. Dabei bedeutet „gradieren“ das Konzentrieren eines Stoffes in einem Medium: in diesem Fall also das Konzentrieren von Salz und zwar in Wasser. Das salzhaltige Wasser wird vermittels eines Wasserrades hoch oben auf das Gradierwerk geleitet und tropft dann am Schwarzdorn herunter. Dabei verdunstet relativ viel Wasser und das Wasser, das unten ankommt hat einen deutlich höheren Salzgehalt. Ein angenehmer Nebeneffekt ist, dass gleichzeitig auch noch Verunreinigung herausgelöst werden.


Mehr Bilder und Informationen zu den technischen Anlagen von Bad Nauheim finden Sie auf dem Pinterest-Board “Bad Nauheim – Technische Gebäude”.

Beitragsbild:
Dampfwaschanstalt von Bad Nauheim – technische Gebäude
Foto aus: W. Jost: Die Neuanlagen in Bad Bad Nauheim, in: Zentralblatt der Bauverwaltung Nr. 23 (1909), S. 1533ff. – gemeinfrei


Dr. Anja Kircher-Kannemann
Dr. Anja Kircher-Kannemann

Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen

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