Schmuckhof Badehaus 7 Jakob Julius Scharvogel
Architekten und Künstler

Jakob Julius Scharvogel

Der bekannte deutsche Künstler und Baukeramiker Jakob Julius Scharvogel hat gemeinsam mit anderen Künstlern an einem der wichtigsten Gesamtkunstwerke des Jugendstils, das der Nachwelt bis heute in weiten Teilen erhalten ist mitgewirkt: dem Sprudelhof in Bad Nauheim.

Scharvogel wurde 1854 in Mainz geboren. Seine berufliche Laufbahn begann an der Handelsschule seiner Geburtsstadt. Nachdem er diese absolviert hatte verschlug es ihn ein Jahr lang nach Zürich auf die dortige Industrieschule, worauf ein zwei jähriges Studium auf der neu gegründeten Polytechnischen Hochschule in Darmstadt, mit der Fächerkombination Mathematik, Chemie und Physik folgte. Noch zeichnete sich also in seinem beruflichen Werdegang nicht wirklich der eines Künstlers ab. Das sollte sich in der Folgezeit ändern.

Es ist seinem persönlichen Kunstinteresse, vor allem seiner Faszination für Japanische Töpferkunst, die er auf seinem Besuch der Pariser Weltausstellung 1878 kennenlernte, geschuldet, welche Richtung seine berufliche Laufbahn eingeschlagen hat. Die asiatische Keramikkunst dieser Zeit zog vor allem durch ihre speziellen Glasurverfahren und die Natur nachahmende dekorative Elemente allgemein großes Interesse auf sich und auch Scharvogel war dieser Faszination und Begeisterung erlegen, welche ihn in der Folgezeit dazu bewegen sollte sich selbst künstlerisch zu betätigen.

Ein längerer Aufenthalt in London und die Möglichkeit im dortigen 1852 gegründeten South Kensington Museums – das heutige Victoria &Albert Museum – zahlreiche Exponate der Keramikkunst zu sichten und zu studieren entfachten in Ihm endgültig die Idee sich autodidaktisch selbst in der Kunst der Töpferei zu versuchen.

Der Schmuckhof von Badehaus 7 auf der Hessischen Landesausstellung in Darmstadt aus: HESSISCHE LANDESAUSSTELLUNG DARMSTADT 1908 - A. KOCH 1909 - JOSEPH-MARIA OLBRICH, Digitalisat der UB Heidelberg - CC-by SA 4.0
Der Schmuckhof von Badehaus 7 auf der Hessischen Landesausstellung in Darmstadt aus: HESSISCHE LANDESAUSSTELLUNG DARMSTADT 1908 – A. KOCH 1909 – JOSEPH-MARIA OLBRICH, Digitalisat der UB Heidelberg – CC-by SA 4.0

Jakob Julius Scharvogel und die Firma Villeroy & Boch

Zugute kam ihm für seine künstlerische Entwicklung 1883 die Tätigkeit als leitender Fabrikingenieur und stellvertretender Direktor bei dem renommierten Porzellan und Keramikfirma Villeroy & Boch in Mettlach. Zwei Jahre später übernahm er die Leitung der Vertriebszentrale in Leipzig.
Die Anstellung bei Villeroy & Boch bot ihm die einmalige Gelegenheit sein im Studium erworbenes Wissen über Materialität, Herstellungsverfahren und innovative Techniken nun auch praxisbezogen für seine eigenen künstlerischen Tätigkeiten zu nutzen.
Dieses künstlerische “Dreigestirn” profitierte durch seine kaufmännische Ausbildung, sein Studium und seine Liebe zur Kunstkeramik. Diese drei Komponenten schufen die Grundlage seines späteren künstlerischen Schaffens.
Mit seinem in 13 Jahren erworbenen praxisbezogenen Fachwissen über die Herstellung von Keramik gab er seine leitende Position des Hauses Villeroy & Boch auf, um in München eine eigene Kunsttöpferei zu gründen.

Schmuckhof Badehaus 2 Bad Nauheim
Schmuckhof von Badehaus 2 in Bad Nauheim mit Keramik von Jakob Julius Scharvogel
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Scharffeuer und Scharvogel-Keramik

Sein Repertoire, das sich stilistisch immer noch an asiatischer Keramik orientierte, umfasste hauptsächlich Gebrauchs- und Zierkeramik.
Scharvogel wurde Gründungsmitglied der 1898 gegründeten vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk und begann fortan sein Repertoire um die Herstellung von Baukeramik und Terrakotta-Objekten zur Gartengestaltung zu erweitern. Der Schwerpunkt seiner Herstellung verlagerte sich auf plastisch verzierte Kacheln und Fliesen, deren Ornamentik dem Zeitgeschmack angepasst war. Es überwogen florale Ornamente und geschwungene Linien die Flora und Fauna nachahmten sowie Tierdarstellungen “gehüllt” in zurückgenommene Farbnuancen.
Die materialbedingte Schwere und Massigkeit seiner Keramikobjekte hob er durch das experimentierfreudige hohe Niveau in der Glasurtechnik auf, deren Besonderheit in der Beimischung verschiedener metallischer Zusätze lag, wodurch seinen Glasuren einen metallischen und Edelsteine nachahmenden Schimmer aufwiesen, der den Objekten eine Leichtigkeit verlieh.
Vor allem begeisterten – und begeistern bis heute – den Betrachter die Farbnuancen seiner vollplastisch ausgearbeiteten Fliesen und Kacheln. Wobei die Farbglasur keine große Farbpalette aufweist, sondern vielmehr die plastische Ausarbeitung gebührend in Szene setzt.
Er vertrieb seine Keramik unter dem Namen “Scharvogel-Keramik”, was eine Anlehnung an das Brennverfahren von Keramik im sog. “Scharffeuer” widerspiegeln sollte.
(Das Verfahren, Steinzeug mit farbiger Ober- und Unterglasur, das bei sehr hohen Temperaturen gebrannt wurde war bereits schon länger in Frankreich als “gres flammee” berühmt- verbreitete sich im Jugendstil sehr)
Welch eine glorreiche Marketingidee seinerseits sich die Ähnlichkeit seines Namens mit dem Fachbegriff der von ihm angewandten Brenntechnik zunutze zu machen. Eine bessere Bewerbung durch diese assoziierend Wortähnlichkeit hätte es wohl kaum geben können.

Relief Schmuckhof Badehaus 2 Bad Nauheim
Terrakotta-Relief im Schmuckhof von Badehaus 2
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Jakob Julius Scharvogel und die Darmstädter Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe

Trotz des Kontakts zur Darmstädter Künstlerkolonie – zustande gekommen durch ehemalige Mitarbeiter seiner Werkstatt (u.a. Paul Haustein und Ludwig Habich) und die dadurch entstandene Möglichkeit seine Objekte dort erfolgreich auszustellen ließen die wirtschaftlichen Erfolge seiner Keramikmanufaktur in München zu wünschen übrig. Da kam ihm das Angebot des Großherzog Ernst Ludwig, der auf sein Schaffen aufmerksam geworden war gerade gelegen. 1906 gründete der Großherzog in Darmstadt die großherzogliche Keramikmanufaktur unter der Leitung Scharvogels. Das bot Scharvogel die große Gelegenheit seine Künstlerkarriere wirtschaftlich abgesichert fortzuführen. Der Schwerpunkt der Manufaktur lag hauptsächlich auf Baukeramik und Terrakotta für den Innen- und Außenbereich. Da war es hilfreich, dass die Besonderheit der “Scharvogelschen Keramik” ihre Witterungsbeständigkeit war. Die von Scharvogel entwickelte Materialsubstanz blieb nämlich vom sog. “Steinfraß” verschont.
Diese spezielle Verfahrenstechnik seiner Baukeramik brachte ihm mehrere große Aufträge ein. Darunter unter anderem die Beteiligung der Auskleidung des Darmstädter Hauptbahnhofs, des Kaiser-Friedrich-Bads in Wiesbaden und des Sprudelhofs der Bad Nauheimer Bäderanlage. Diese Projekte brachten Scharvogel, als mitwirkendem Künstler großer Gesamtkunstwerke des Jugendstiles den endgültigen bis heute fortbestehenden Erfolg.
Bereits Jahre zuvor wurde Scharvogels Baukeramik in Form von Fliesen und Kacheln in von Joseph Maria Olbrich (österreichischer Architekt und Designer) entworfenen Villen (Haus Glückert, Haus Habich) als auch in Olbrichs eigenem Haus auf der Mathildenhöhe in Form von dekorativer Wandverkleidung verbaut.

Maske im Schmuckhof von Badehaus 6 - Sprudelhof Bad Nauheim - Jakob Julius Scharvogel
Maske im Schmuckhof von Badehaus 6
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Scharvogel-Keramik im Bad Nauheimer Sprudelhof

Die Ausstattung der Badekuranlage am Sprudelhof (erbaut 1905-1911) in Bad Nauheim war der erste große Auftrag den Scharvogel für die großherzogliche Manufaktur ausführte.
Seine ornamental-floral und figürlich-plastisch ausmodellierten Fliesen und Kacheln fertigte Scharvogel nach den Entwürfen von Heinrich Jobst an. Dem atmosphärischen Ambiente einer Badeanlage angepasst waren die farbigen Glasuren in zurückgenommenen Nuancen von Blau-, Grün-und Beigetönen gehalten.
Trotz der positiven Resonanz auf seine schmuckvollen Fliesen blieb auch der bahnbrechende wirtschaftliche Erfolg der großherzoglichen Manufaktur aus, sodass Scharvogel 1915 nach München zurückkehren musste.

Wartesaal Badhaus 7 Bad Nauheim mit Scharvogel Keramik
Wartesaal Badehaus 7 Bad Nauheim mit Scharvogel Keramik
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Die Münchener Zeit und ein Lehrauftrag

In München übernahm Jakob Julius Scharvogel bis 1925 den Lehrauftrag für das Fach Baukeramik an der Technischen Hochschule.
Er verstarb am 30. Januar 1938 in München.

Auch wenn Scharvogel der wirtschaftliche Durchbruch seines künstlerischen Schaffens schlussendlich nicht gelang, war und ist er bis heute der berühmteste deutsche Kunstkeramiker jener Epoche. Gemeinsam mit anderen Künstlern seiner Zeit trug er durch sein künstlerisches Schaffen dazu bei, der Nachwelt begehbare Gesamtensembles des deutschen Jugendstils zu hinterlassen.

Vase Jakob Julius Scharvogel
Vase von Jakob Julius Scharvogel im Jugendstilforum Bad Nauheim
Foto: M. Geisler, CC-by SA 4.0
Susanne Scheer
Susanne Scheer

Susanne Scheer – Kunstgeschichtlerin aus Leidenschaft mit besonderer Liebe zu Tschechien, Italien und der Kunst des Jugendstils.

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