Heinrich Siesmayer – ein Gärtner und „seltener Mann“
Wagemutig nannten ihn seine Zeitgenossen, auch einen Moltke[1] und einen vollendeten Meister. Die Nachrufe auf ihn strotzen mit Superlativen und man könnte glatt den Eindruck gewinnen, bei dem Mann, der hier beschrieben wird, handle es sich um einen trojanischen Helden oder einen Ritter der Artussage. Nichts von alledem aber war er. Heinrich Siesmayer war schlicht ein Gärtner.
Wieso also all diese überschwänglichen Beschreibungen? Wer war dieser Mann, den viele so bejubelten?
Die Kunst lag in der Familie
Heinrich Siesmayer war Gärtner, er war Gartenarchitekt und Gartenplaner, er war Vater von 12 Kindern, er war Unternehmer und vor allem war er ein Selfmademan.
Als er am 26. April des Jahres 1817 im heutigen Mainz-Mombach geboren wurde, da war zumindest ein Teil seines Weges schon vorgezeichnet, denn auch sein Vater Jacob Philipp Siesmayer (1781-1866) war Gärtner. Als „Kunstgärtner“ hatte er Anstellungen bei verschiedenen hochgestellten Auftraggebern, wie dem General Receur oder den Grafen von Montabeau in Offenbach.
Und auch andere Vorfahren waren künstlerisch unterwegs, teils auch als Gärtner, teils als Maler oder Musiker. „So war sein Großonkel Hofkapellmeister in Wien, ein Schüler und Vertrauter Mozarts.“[2] „Es steckte also in der Familie die Liebe zu Kunst, namentlich zur Gärtnerei.“ schrieb Siesmayer in seinen Lebenserinnerungen.[3]
Heinrich Siesmayer – Jugend und Lehrzeit
Schon als zwölfjähriger Junge arbeitete Heinrich Siesmayer gemeinsam mit seinem Vater in den Gärten der Auftraggeber und entwickelte hier wohl auch seine eigene Liebe zum Gärtnern. 1832 ging er dann in der Handelsgärtnerei Sebastian und Jakob Rinz in Frankfurt a.M. in die Lehre. In seiner Arbeit stellte er sich offenbar sehr geschickt und gut an, denn seine Lehrzeit wurde ihm bereits nach 1 ½ Jahren erlassen und er erhielt eine Anstellung als Gehilfe.
Die Familie Rinz mochte ihn offenbar sehr und schnell stieg er auf, leitete die Baumschulen und führte eigene kleinere und auch schon größere Gartenanlagen aus. Neben seiner Arbeit bildete er sich weiter, „besuchte die Gewerbe- und Sonntagsschule und nahm Unterricht im Planzeichnen und in der Feldmeßkunst.“[4]
1840 entschloss sich Heinrich Siesmayer die Firma Rinz zu verlassen, die allerdings machten es ihm nicht leicht, wie er selbst beschrieb:
„Beim Abschied reichte mir mein alter Prinzipal, Herr Rinz, tiefbewegt die Hand und sagte: ‚Du warst gleich einem Sohne in meinem Hause geehrt und geachtet; was Du anderweitig suchst, das hast Du hier gehabt; auch weißt Du, daß Du ohne Mittel bist und willst uns dennoch verlassen!‘ Diese Worte gingen mir durch Mark und Bein, ich blieb jedoch fest und erwiderte, dem auf dem Sessel Sitzenden gegenüberstehend: ‚Herr Rinz, ich habe soviel Gutes und Tüchtiges bei Ihnen gelernt; wenn mir Gott die beiden Arme gesund und stark läßt (dieselben erhebend), dann brauche ich keine Bange zu haben!‘ Die alte Frau Rinz saß in der Ecke und weinte über diesen Vorgang.
Damit war ich entlassen.“[5]
Die ersten Schritte in die Selbständigkeit
Der Weg war nicht weit, den Heinrich Siesmayer nun antrat: Er ging von Frankfurt a.M. nach Bockenheim zu seinem Vater, der gerade eine Anstellung als Kunstgärtner bei der Gräfin Dullon hatte. Dort mietete er sich „einen kleinen Garten mit Gewächshaus bei Ph. Bilger und legte gewissermaßen damit den Grundstein zum heutigen Geschäfte.
Dies geschah am 1. Mai 1840“.[6]
Die folgenden Jahre und Jahrzehnte waren geprägt von Reisen in alle europäischen Metropolen, so nach „London, Paris, Amsterdam, Rotterdam, Gent, Antwerpen, Brüssel, Berlin und Wien“.[7] Seine gärtnerischen Kenntnisse erweiterte er so enorm. Das Geld allerdings blieb lange knapp. So wäre er auch beinahe aus Bockenheim als mittelloser „Abenteurer“ ausgewiesen worden, wenn nicht der Chef der Polizei ein gutes Wort für ihn eingelegt hätte und er und sein Vater die Anfeindungen der Bewohner ertragen hätten.
Heinrich Siesmayer zwischen Jardinieren und großen Gärten
In den ersten beiden Jahren seiner Selbständigkeit waren es nicht die großen Gärten, die ihm Geld einbrachten, sondern die kleinen Arbeiten.
„Zuerst beschäftigte ich mich mit der Anzucht kleinerer Pflanzen, fertigte Blumentische (Jardinieren) in Naturholz und Baumrinde, Namenszüge von getrickneten Blumen, umgeben von Kränzen, auch plastisch formierte Blumenkörbchen aus Wachs, dekoriert mit getrockneten Blumen, und zwar auf Papier und in Rahmen gezogen. Ferner componierte ich verschiedene Tableaux, d.h. plastisch formierte Landschaften, teils nach Vorlagen von Schweizer- und altbayrischen Landschaften, auch russische Blockhäuser u. s. w., alles zusammengesetzt aus Baumrinde, Moos, Sand, kurz wie es in der Natur vorkommt. Dieselben fanden allgemeinen Beifall, so daß ich sie hie und da in Bildergallerieen und bei Ausstellungen zur Ansicht gab.“[8]
Sicher waren das nicht die Tätigkeiten, die er sich eigentlich vorgestellt hatte, aber immerhin ließ sich so Geld verdienen und erste größere Aufträge kamen auch langsam herein. Die Gartenunterhaltung der Grafen Schönborn-Wiesenheid gehörte dazu oder auch die Lieferung von Eriken an den Zaren von Nikolaus von Russland. Die brachte ihm immerhin eine Auszeichnung und einen Brillantring ein. Den allerdings musste er sofort wieder verkaufen, denn knapp war das Geld noch immer.
Die Gebrüder Siesmayer
Im Jahr 1842 kehrte Heinrichs jüngerer Bruder Nicolaus nach Deutschland zurück. Er hatte in England und Schottland das Gärtnern gelernt und stieg nun in das Geschäft mit ein, das sich fortan „Gebrüder Siesmayer“ nannte. Auch der Vater wurde in das neue Unternehmen integriert und blieb ihm auch bis zu seinem Tod im Jahr 1866 erhalten. Liebevoll klingen die Worte, die Heinrich Siesmayer Jahre später über diese Zusammenarbeit niedergeschrieben hat:
„Mein Vater, Philipp Siesmayer, geboren 1780, gestorben 1866, mit dem wir nun gemeinschaftlich arbeiteten, war ein hochbegabter, hervorragender Kunstgärtner, der sich auf dem Gesammtgebiete der Gärtnerei ausgezeichnete Kenntnisse erworben hatte. Er unterstützte uns bei seinem reichen Wissen und seinen Erfahrungen mit Rat und That in jeder Beziehung, so daß wir beide an ihm einen treuen Führer hatten, der uns rastlos ermutigte, namentlich in den schweren Tagen bei der Gründung des eigenen Geschäftes. Er wirkte in dieser Weise noch als 84jähriger Greis, im Vollbesitze seiner geistigen Kräfte bis zu seinem letzten Atemzuge.“[9]
Nicolaus Siesmayer widmete sich der Kultur der Pflanzen, während Heinrich vor allem den Handel mit Obstbäumen, die er mehrheitlich aus dem lothringischen Metz und dessen Umgebung bezog, betrieb. Auch die Landschaftsgärtnerei gehörte damals schon zu den Aufgaben des älteren Bruders.
Die Geschäfte liefen, aber immer noch nicht unbedingt gut. Oft musste man sich Geld bei Freunden leihen, um die fälligen Rechnungen und die Löhne der Gehilfen zu zahlen. Man hätte es verstanden, wenn Heinrich da das Angebot angenommen hätte als Garteninspektor auf dem Schloss Oranienbaum bei Petersburg der Großfürstin Helene von Russland zu arbeiten, aber er lehnte ab. Er wollte selbständig arbeiten und zog es vor weiter in finanzieller Unsicherheit zu leben.
Erste größere Aufträge für Gartenanlagen, wie etwa der des Hofes Goldstein bei Frankfurt a.M. führten dazu, dass die Firma Stück für Stück aufstieg.
Der Kurpark von Bad Nauheim – Heinrich Siesmayers Durchbruch
Ziemlich genau 15 Jahre dauerte die Aufbauphase der Firma Gebrüder Siesmayer, dann endlich kam der Durchbruch. Aber auch der kam nicht einfach und leicht daher, sondern musste mit Tricks und Schlichen erkämpft werden, die Heinrich Siesmayer in seinen Lebenserinnerungen genauer beschreibt.
Zum Kurpark von Bad Nauheim, das damals noch nur Nauheim hieß (die Namenserweiterung „Bad“ erfolgte erst 1869), heißt es von Siesmayer selbst:
„Die Hauptarbeit in diesem Zeitabschnitt [1850-1860, Anm. d. Verf.] waren die Nauheimer Kur-Park-Anlagen, von ganz bedeutendem Umfang, ca 330 hessische Morgen groß. Diese Anlage ist eine meiner größten Ausführungen in meiner beinahe fünfzigjährigen selbständigen Thätigkeit.
Der Übertragung derselben vom kurfürstlichen Hofe stellten sich bedeutende Schwieirigkeiten in den Weg, da diese Arbeit öffentlich in Konkurrenz ausgeschrieben war, und ich durch Hof-Intriguen ferngehalten werden sollte. Man verweigerte mir die Situationspläne, obschon ich kurhesssischer Bürger war. Die Lust zu dieser größeren Ausführung und der Drang zum Schaffen ließen mir keine Ruhe, bis ich endlich auf den glücklichen Gedanken kam, mich durch eine distinguierte Persönlichkeit, den Stadtkommandanten und österreichischen General von Schmerling, an den kurhessischen Bundestagsabgeordneten von Trott empfehlen zu lassen. Gestützt auf dessen Fürsprache erhielt ich die Situationspläne sofort, schickte binnen 2 ½ Tagen die Skizze an Oberbaurat Engelhardt, damit dieselbe gleichzeitig mit den Konkurrenzplänen zur Vorlage komme, und mein Plan, eine Bleistiftzeichnung, erhielt denn auch wegen seiner großartigen, ästhetischen Formen die Genehmigung des Kurfürsten. […] Diese öffentliche Parkanlage, die zur Zufriedenheit der Kurfürstlichen Regierung vollendet wurde, trug viel zur Verbreitung und Hebung meines Renommées als Gartenarchitekt bei. Als die Übergabe an die Herren Finanzminister von Bechtel, Geheimer Finanzrat von Eschwege und Ober-Baudirektor Engelhardt erfolgte, sprachen dieselben mir ihre volle Anerkennung aus. Herr von Bechtel ehrte mich sogar mit den Worten, die er in Anwesenheit aller hohen Gäste an mich richtete: ‚Bei Ihnen kommt mit Recht das Wort in Anwendung: Am Werke erkennt man den Meister!‘ – Die Stadt selbst ernannte mich zum Zeichen ihrer Zufriedenheit zum Ehrenbürger. Als Nauheim später, im Jahre 1866, darmstädtisch wurde, und Se. Königl. Hoheit der Großherzog einmal die Kuranlagen besichtigte, sprach er gleichfalls seine hohe Befriedigung aus und verlieh mir, als Beweis seiner Anerkennung, den Orden Philipps des Großmütigen I. Klasse. Später, gelegentlich einer Rosenausstellung, ernannte er mich in Gegenwart seiner Generäle und Adjutanten zu seinem Hof-Garten-Ingenieur und nach geraumer Zeit, als ich verschiedene Lieferungen nach Darmstadt gemacht hatte, zu seinem Hoflieferanten.“[10]
Vom Kurpark zum Palmengarten
Der Kurpark von Bad Nauheim war eines der größten Projekte, die Heinrich Siesmayer je umgesetzt hat und er brachte ihm zahlreiche Nachfolgeprojekte ein, vor allem von Kurgästen, die seinen Park während ihres Aufenthalts lieben gelernt hatten.
Das wohl bekannteste Projekt Siesmayers aber ist wohl der Frankfurter Palmengarten, der im Jahr 1866 seine ersten Anfänge nahm, als Frankfurt und das Herzogtum Nassau von Preußen anektiert wurden, der Herzog ins Exil gehen musste, seine Gärten nicht mehr unterhalten konnte und Heinrich Siesmayer mit der Auflösung der umfangreichen Pflanzanlagen beauftragte.
Der Plan zur Anlage eines Palmengartens reifte wohl schon früh in Heinrich Siesmayer und er schaffte es wieder einmal auch andere für seine Pläne zu begeistern, so konnte der Plan in die Tat umgesetzt werden und im eher kühlen Frankfurt am Main entstand ein tropisches Palmenparadies, dessen Direktor eben dieser Heinrich Siesmyer wurde. Das war im Jahr 1868 und er blieb lange in dieser Position, bis 1886, da ging er dann mit 69 Jahren zumindest diesen Posten betreffend in den wohlverdienten Ruhestand.
Die Gartenwerke Heinrich Siesmayers
Zwischen 250 und 350 Gärten und Parkanlagen hat Heinrich Siesmayer im Laufe seines Lebens geschaffen, nur wenige davon sind bis heute erhalten geblieben und längst nicht alle sind mehr bekannt. Die nachfolgende Liste enthält die wohl wichtigsten und bekanntesten Anlagen Siesmayers:
- Ausführung des Kurparks in Wiesbaden (1836)
- Park Günthersberg, Frankfurt a.M. (um 1836)
- Park Reichenbach-Lessonitz (1846)
- Goldstein bei Frankfurt a.M. (1840er Jahre)
- Kurpark Bad Nauheim (1857-1859)
- Anlage Nizza, Frankfurt a.M. (1869)
- Gutspark Lauteren, Nierstein (1861)
- Musterbaumschule Elisabethenhain, Bad Vilbel (1867)
- Palmengarten Frankfurt a.M. (1868-1871)
- Kurfürstenplatz Bockenheim (1868)
- Friedhof a. d. Ginnheimer Landstraße, Frankfurt a.M. (1868)
- Garten der königlichen Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau, Geisenheim (1872-1873)
- Zoologischer Garten, Elberfeld (Wuppertal) (1872-1881)
- Sanatorium Falkenstein / Taunus (heute Kempinski Hotel) (1876)
- Schloßpark Rauischholzhausen (1876)
- Schmuckplatz vor dem Kurhaus, Wiesbaden (1880)
- Schloßpark, Langenzell bei Heidelberg (1881-1893)
- Schmuckplatz im Kurpark, Bad Homburg (1883-1888)
- Rosengarten im Kurpark, Bad Homburg (1886)
- Park Gail, Rodheim/Bieber (1882-1893)
- Bergpark Villa Anna, Eppstein (1885-1890)
- Zoologischer Garten, Wuppertal (1885)
- Schloßpark Heinrich von Brunck, Kirchheimbolanden (um 1889)
- Schloßpark Donaueschingen (1893)
Heinrich Siesmayer am Ende seines Lebens
„Im Jahre 1892 hatte die Firma des Verstorbenen neben den ausgeführten bedeutenden Neuanlagen etwa 40 ganz bedeutende Gartenunterhaltungen im Abonnement, sowohl in Frankfurt als auswärts, mit einem Gesamtflächengehalt von 1200 Morgen. Bei diesen Unterhaltungen waren ständig 150 bis 160 Arbeiter beschäftigt, außer welchen weiter für Neuanlagen je nach Bedarf 70 bis 120 Leute nötig wurden.“[11]
Man kann also sagen Heinrich Siesmayer hatte es geschafft und hatte seine Firma „Gebrüder Siesmayer“ zu den größten und erfolgreichsten Gartenbauunternehmen Deutschlands gemacht.
Privat sah es weniger rosig in seinem Leben aus. Seine zwölf Kinder musste er mehr oder minder alleine erziehen nachdem seine Frau Elisabeth (Elise) Siesmayer, geb. Klees (*1838) bereits 1872 verstorben war. Ihr zu Ehren gründete er in Bad Vilbel den Elisabethenhain. Und auch gesundheitlich waren seine letzten Jahre offenbar schwer, denn seine Biographen betonen, dass er seine letzten Lebensjahre als schwer kranker Mann bettlägerig verbrachte bis er am 22. Dezember 1900 verstarb.
Sein Geschäft übergab er seinen drei Söhnen Ferdinand Xaver (1868-1944), der den kaufmännischen Bereich übernahm, Josef Anton (1866-1940), der die Pflanzkulturen leitete, aber bereits 1902 aus dem Unternehmen ausschied und Philipp (1862-1935), der die gestalterischen Aufgaben übernahm. Letzterer war es auch, der noch bis ins Jahr 1935 den Kurpark von Bad Nauheim betreute.
Heinrich Siesmayer – Nachrufe und Nachleben
Heinrich Siesmayers Wahlspruch lautete:
„Nur vorwärts, nicht verzagt,
Nicht viel nach rechts und links gefragt,
Mit Gott gewagt!“
Schaut man sich die Nachrufe an, die auf ihn geschrieben wurden und auch seine eigenen Lebenserinnerungen, dann hat er diesen Wahlspruch wohl auch tatsächlich zeit seines Lebens umgesetzt. Er wagte und er machte und meist hatte er damit auch Erfolg.
In seinem 1901 in der Zeitschrift „Die Gartenkunst“ erschienenen Nachruf griff H. R. Jung zu zahlreichen Superlativen, um den „Meister“ zu beschreiben. so schreibt Jung beispielsweise: „Der Verstorbene war ein Genie in des Wortes vollster Bedeutung; alle Hindernisse und Schranken, die sich seinem Streben entgegen zu setzen versuchten, verstand er zu bezwingen oder zu überbrücken.“ Und er beschrieb Siesmayer weiter als „männlich ernste[n] Charakter voll Thatkraft und Energie, aber auch reich an Herzensgüte und liebreicher Fürsorge um die Seinigen.“[12]
Seinen Beitrag beendete Jung mit den Worten: „Mit seinem Heimgang ist eine Leuchte der Gartenkunst erloschen!“
Ein höheres Lob ist wohl kaum vorstellbar. Auf welche Fähigkeiten und Werke Jung dieses Loblied gründete, auch das beschrieb er in seinem Nachruf:
„Die landschaftgärtnerischen Schöpfungen Siesmayers kennzeichnet vor allem eine mit Geschick und Sorgfalt zusammengestellte, auf malerisch schöne Wirkung berechnete Darstellung der einzelnen Pflanzungspartien und wirkungsvolle, der Natur abgelauschte Anordnung freistehender Baumgruppen; großartige Beispiel hierfür finden wir in des Meisters bestem Werke – dem Nauheimer Kurpark. Ebenso hervorragend war er als Darsteller der Kleinmalerei; seine Parterres und Gruppenarrangements waren bezüglich ihrer Formen- und Farbenwirkung mustergültige Edelstücke, die allgemeine Nachahmung fanden.“[13]
Auch Siesmayers Schüler Max Hesdörffer, der in der Zeitschrift „Die Gartenwelt“ 1901 einen Nachruf verfasste, äußerte sich ähnlich überschwänglich über seinen Lehrmeister und teilte mit, dass er „allenthalben als wahrer Meister und Bahnbrecher auf dem Gebiete der Gartenkunst bekannt“ sei.[14]
Vor allem betonte Hesdörffer aber auch die charakterlichen Qualitäten des Gartenkünstlers:
„Dass er auch ein warmfühlendes Herz für seine Mitarbeiter hatte, von denen zahlreiche zehn bis vierzig Jahre und darüber in seinem Geschäfte thätig waren“ verdeutlicht dies, ebenso wie die Aussage „in äußerlich rauher Hülle schlug ein warm empfindendes Herz.“ Aber Hesdörffer betont auch, dass der Güte auf der einen Seite auch ein unnachgiebiger Charakter in geschäftlichen Dingen gegenüberstand in dem er schrieb: „Geschäftlich war mit Siesmayer nicht zu spaßen, sein entschlossenes Auftreten ist mir in lebhafter Erinnerung geblieben, kurz und bestimmt waren seine Befehle, Gegenrede wurde nicht geduldet.“[15]
Im Jahr 1917 veröffentlichte der Landesökonomierat Siebert, der auch Direktor des Palmengartens in Frankfurt und damit Nachfolger Heinrich Siesmayers war, ein „Gedenkblatt zum hundertsten Geburtstage“. Auch er, der Siesmayer ebenfalls persönlich gekannt hatte, singt ein Loblied auf den Menschen, ebenso wie auf den Gartenkünstler und Geschäftsmann. Er schrieb:
„Seine Gaben zu entfesseln und nutzbar zu machen, mit Geschick alle Momente zu erfassen, das war ihm angeboren, wie sein berechnender kaufmännischer Geist.
Bei ihm trat nicht der Wert der Pflanze, des Steines oder sonstigen Materiales, des Transportes oder Lohnes vorherrschend in die Erscheinung, sondern allein das geformte Landschaftsbild in bewegtem oder unbewegtem Gelände, die Stellung der Einzel- oder Gruppenpflanzung, das Hereinziehen der äußeren Landschaft in den innern Rahmen, die Berechnung auf Gegenwart und Zukunft, kurz das Bild als solches sollte den ganzen Wert in sich schließen.“ und ergänzt diese Ausführungen mit einigen zeitgenössischen Aussagen: „‘Sie sind vollendeter Meister, besonders für kleinere Bilder‘ oder ‚Unübertroffen sind ihre Terrainbilder“ sagten ihm einst die berühmten Landschafter Fürst Pückler-Muskau und sein Gartendirektor Petzold. ‚Siesmayer ist der deutsche Lenôtre‘ schrieb einmal der Redakteur einer französischen Zeitung. So ließe sich eine unendliche Reihe von Aussprüchen anführen, nur soll noch derjenige Kaiser Wilhelms I. hier Platz finden, der ihm sagte: ‚Der Palmengarten, Ihr Werk, ist so wunderschön, wie ich derartiges nie gesehen.‘“[16]
[1] Gemeint ist Helmuth Karl Bernhard von Moltke (1800-1891) preußischer Generalfeldmarschall und Chef des Generalstabs. Er galt als genialer Stratege und führte die Schlacht bei Königgrätz, die als Entscheidungsschlacht des Preußisch-Deutschen Krieges (1866) gilt, an. Gemeinsam mit Otto von Bismarck gilt er auch als „Schmied“ der deutschen Reichseinigung von 1871.
Sein Urgroßneffe war der Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus Helmuth James Graf von Moltke.
[2] Max Hesdörffer: Nachruf Heinrich Siesmayer, in: Die Gartenwelt 5 (1901) S. 178-180, hier S. 178.
[3] Franz Heinrich Siesmayer – Lebenserinnerungen, hg. v. Thorsten Reuter und Peter Althainz, Norderstedt 2006, S. 25.
[4] Hesdörffer, Nachruf, S. 178.
[5] Lebenserinnerungen, S. 29.
[6] ebd., S. 30.
[7] ebd. S. 31f.
[8] ebd. S. 33.
[9] ebd. S. 35.
[10] ebd. S. 45f.
[11] Hesdörffer: Siesmayer, S. 180.
[12] H. R. Jung: Nachruf: Franz Heinrich Siesmayer, in: Die Gartenkunst III, 2 (1901), S. 21-22, hier S. 21.
[13] ebd., S. 22.
[14] Hesdörffer: Siesmayer, S. 178.
[15] ebd., S. 179.
[16] Siebert: Gedenkblatt. Zum hundertsten Geburtstage von Heinrich Siesmayer (26. April 1917), in: Die Gartenwelt 21 (1917), S. 201-204, hier S. 204.
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