Dampfwaschanstalt Bad Nauheim
Waschanstalt

Die Dampfwaschanstalt in Bad Nauheim

Zum Komplex der technischen Anlagen am Goldstein in Bad Nauheim gehört auch die Dampfwaschanstalt. Wilhelm Jost hatte sie mit eingeplant, denn das Thema ‚Outsourcing‘ gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch nicht. Es lag im Interesse der Direktion des Kurbades, dass die Wäsche, die in den Badehäusern und in anderen Bereichen, wie etwa der Trinkkuranlage, genutzt wurde immer perfekt sauber war. Gewährleisten konnte man dies am besten, wenn man selber wusch.

Dabei war die Menge an Wäsche, die in der Dampfwaschanstalt gewaschen werden musste enorm: Zigtausende von Handtüchern, Bodentüchern und Wannentüchern fielen hier tagtäglich an. Entsprechend modern musste die Dampfwaschanstalt sein und vor allem entsprechend effizient musste sie arbeiten können.

Bemerkenswert ist auch im Fall der Dampfwaschanstalt, dass Wilhelm Jost nicht einfach ein reines Funktionsgebäude errichtete: Selbst hier achtete er auf den äußeren Eindruck des Gebäudes, darauf, dass es schön aussah und dennoch perfekt nutzbar war. Wie eigentlich immer im Jugendstil fällt auch hier auf, dass Funktion die Ästhetik nicht ausschließt. Wie die Dampfwaschanstalt aufgebaut war, das schilderte Wilhelm Jost im Jahr 1909 im Zentralblatt der Bauverwaltung:


Plan Dampfwaschanstalt Bad Nauheim
Plan der Dampfwaschanstalt von Bad Nauheim
aus: Wilhelm Jost: Die Neuanlagen in Bad Nauheim, in: Zentralblatt der Bauverwaltung, Nr. 23 (1909) S. 153-155, hier S. 154.

Die Dampfwaschanstalt in Bad Nauheim und die Wäscheberge

„Fast gleichzeitig mit der bereits kurz beschriebenen Maschinenanlage wurde die staatliche Waschanstalt ebenfalls jenseit des Bahnkörpers erbaut. Hier wird die gesamte Badewäsche mit Maschinenbetrieb gereinigt. Da schon bei dem vorjährigen Höchstbedarf täglich etwa 3500 Bäder abgegeben wurden, jedes Bad ein großes Badetuch, ein Handtuch, ein Boden- und ein Wannentuch verlangt, so ist die zu bewältigende Zahl der Wäschestücke recht bedeutend. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, eine reichliche Zahl von Maschinen aufzustellen und ganz besonders aber auch noch für die Aufstellung weiterer Maschinen beim Neubau entsprechenden Platz vorzusehen. Waschsaal und darüber liegender Mangelraum sind reichlich bemessen und bilden mit ihren in Pfeiler und große Fenster aufgelösten Außenwänden den Mittelbau der Anlage. Auf der nördlichen Seite sind im Erdgeschoß Wäscheannahme und -ausgabe, darüber Speicherräume, auf der südlichen in der Hauptsache Bureau, Flickstube, Aufenthaltsräume und eine Wohnung untergebracht. Durch einen bedeckten Gang verbunden, liegt im Osten das Desinfektionshäuschen; der bedeckte Gang dient zur vorläufigen Ablagerung schmutziger Wäsche, die zeitweise (um die Mittagszeit) in solcher Menge aus den Bädern ankommt, daß sie nicht sofort alle in der Wäscheannahme Unterkommen kann. Die im südlichen Teil des Gebäudes aufgestellte Dampfmaschine wird aus der Kesselanlage der Maschinenzentrale gespeist.“


Dampfwaschanstalt Bad Nauheim
Schnitt durch die Dampfwaschanstalt Bad Nauheim
aus: Wilhelm Jost: Die Neuanlagen in Bad Nauheim, in: Zentralblatt der Bauverwaltung, Nr. 23 (1909) S. 153-155, hier S. 154.

Die Ausgestaltung der Dampfwaschanstalt

„Das Gebäude ist im Äußeren als Putzbau durchgeführt mit Basaltlavasockel und Ziegeldoppeldach. Dem Putz ist, wie bei den bereits beschriebenen Verwaltungsgebäuden, durch Verwendung von Bimskies in dem obersten Auftrag und durch wagerechtes Abreiben mit dem Reibbrett, wobei die größeren Kiesel herausgerissen werden, ein eigenartiges kräftiges Aussehen gegeben. Im inneren sind durch weg Eisenbetondecken und -Stützen verwandt; die Wände der Wäscheannahme, des Waschsaals, des Maschinenraums, des Mangelsaals und der Wäscheausgabe sind im unteren Teil mit Porzellanplatten bekleidet, die oberen Teile und die Decken sind durchweg in ziemlich rauhem geweißten Putz stehen gelassen. Das lästige Tropfen der Decken im Waschsaal ist durch gänzliches Verzichtleisten auf eiserne Träger und durch geweißten rauhen Putz vollständig vermieden worden, während ein nachteiliger Einfluß der Feuchtigkeit auf die Decken nicht festgestellt wurde. Die Boden der genannten Räume sind mit Mosaikplatten der Servaiswerke in Ehrang bei Trier belegt, und zwar im Waschsaal mit gerippten, sonst mit glatten Plättchen. Auf die Innenansicht des Waschsaals sowie die Ausbildung der Decke und der Lager für die Wellenleitung sei noch besonders aufmerksam gemacht. Diese Eisenbetonarbeiten sind von der Firma Richard Speer in Mannheim ausgeführt. Die übrigen Arbeiten zeigen keine besonders bemerkenswerten Einzelheiten: nur auf die tonnenartige Überdeckung des Mangelsaals (nach Angabe des Herrn Geb. Oberbaurats Prof. Hofmann) sei noch hingewiesen. Der eiserne Dachstuhl, von Dönges in Darmstadt ausgeführt, sitzt auf dem Fußboden des Obergeschosses auf, und an dem gestelzten halbkreisförmigen Untergurt ist eine Rabitzdecke aufgehängt, in deren Scheitel vier Entlüftungsschlote ansetzen. Durch diese Einrichtung ist es in Verbindung mit den seitlichen Fenstern leicht möglich, den Mangelraum auch bei starker Wasserdampfentwicklung stets gut zu lüften.“


Wäscheannahme Dampfwaschanstalt Bad Nauheim
Wäscheannahme in der Dampfwaschanstalt Bad Nauheim
aus: Wilhelm Jost: Die Neuanlagen in Bad Nauheim, in: Zentralblatt der Bauverwaltung, Nr. 23 (1909) S. 153-155, hier S. 154.

Die Kosten für die Dampfwaschanstalt Bad Nauheim

„Die Kosten betrugen im ganzen einschließlich aller Nebenkosten, aber ohne Maschinen, 145 369,69 Mark, außerdem wurden 15 000 Mark für Möbel usw. aufgewandt.
Der Vorentwurf des Gebäudes ist im bautechnischen Bureau des Großherzoglichen Ministeriums der Finanzen, Abteilung für Bauwesen, aufgestellt worden, mußte aber mit Ausnahme des Mittelteils wesentlich verändert und erweitert werden, weil die Badeverwaltung mittlerweile ein neues, erheblich erweitertes Bau Programm aufstellte. Die Bearbeitung des erweiterten Entwurfs, die Ausführung der Waschanstalt selbst erfolgte unter der verantwortlichen Leitung des Unterzeichneten Vorstandes der Großherzoglichen Neubaubehörde. Der Unterzeichnete betraute mit der Bearbeitung der Pläne und mit der Bauausführung den ihm überwiesenen Großherzoglichen Regierungsbaumeister Kraft.
Jost.“[1]


[1] Wilhelm Jost: Die Neuanlagen in Bad Nauheim, in: Zentralblatt der Bauverwaltung, Nr. 23 (1909) S. 153-155.


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Beitragsbild:
Dampfwaschanstalt Bad Nauheim –
Foto aus: W. Jost: Die Neuanlagen in Bad Bad Nauheim, in: Zentralblatt der Bauverwaltung Nr. 23 (1909), S. 153-155, hier S. 155.


Dr. Anja Kircher-Kannemann
Dr. Anja Kircher-Kannemann

Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen

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